Tagung
Archäologie der Spezialeffekte
eikones Forum
Staunen wird seit der Antike als zentrales Moment von Erkenntnisprozessen und der Wissenskulturen gesehen, spielt aber auch in Überlegungen zur Kunst-Rezeption und Kunst-Wirkung eine wesentliche Rolle. Ziel des Sinergia-Projektes ist, im Moment des Staunens diese enge Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit von Wissenschaft und Dichtung, von experimenteller Forschung und Imagination, von Technik und Kunst herauszustellen. Das Projekt schlägt einen historischen Bogen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und berücksichtigt drei sprachlich-kulturell unterschiedliche, jedoch eng vernetzte Literaturen und Kunsttraditionen. Das ermöglicht einerseits, sich wandelnde Vorstellungen von dem, was Staunen ist, genau zu beobachten. Anderseits lässt sich verfolgen, wie Staunen – immer in der Spannung zwischen Erkenntnis und Erfindung gesehen – je nach kulturellen und historischen Kontexten in verschiedenen Deutungs- und Wertungssystemen eine Rolle spielt. Damit wird dieses Phänomen als ein neuralgischer Punkt menschlicher Kultur erkennbar, an dem sich Veränderungen und Verschiebungen von Wertungen in unterschiedlichen Konzepten der Weltdeutung ablesen lassen: wissenschaftlich, poetisch, theologisch.
Wir leben in einer Kultur, die von einer Ästhetik der spektakulären Überbietung geprägt ist. In ihrem Zentrum agieren Spezialeffekte aus Licht und Klang, atemberaubender Technik und wandelbaren Materialitäten, die eine Welt wunderbarer Geschmeidigkeit entwerfen: Winziges wird riesig, Entferntes anschaulich, Unmögliches greifbar. Die Debatten über die Auswirkungen moderner Illusionskünste sind bereits in vollem Gange, und mit ihnen rückt nicht nur die lange Geschichte illusionistischer Effekte ins Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern auch das Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis und die Sehnsüchte einer Kultur, die einen Grossteil ihrer Ressourcen an die Hervorbringung von Staunen verschwendet.
Die Tagung «Archäologie der Spezialeffekte» thematisiert diese Entwicklung in einer interdisziplinären kulturhistorischen Perspektive. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt von einer Vor- und Frühgeschichte des Kinos und erweitert den Begriff des 'special effect' für eine allgemeine Betrachtung von Staunenseffekten vomm Mittelalter bis in die Gegenwart. Am Beispiel von Theater- und Musikinszenierungen, bildlichen Darstellungen und rhetorischer Kunstfertigkeit, Zaubertricks und Maschinenkunst geht es um die Rekonstruktion einer Geschichte der Illusions- und Experimentalkünste im Zeichen einer Ästhetik des Ausserordentlichen und der Überschreitung. Der thematische Bogen reicht ovn Formen des Spektakulären, Fragen von Körperlichkeit, Sinnlichkeit und Virtuosität bis zu Phänomenen des Wunderbaren, Magischen und Ludischen.
Poetik und Ästhetik des Staunens. Ein Sinergia-Projekt des SNF. In Kooperation mit dem Modul «Visualität der Barockoper» des NFS Bildkritik - eikones
Kontakt: Constanze Geisthardt: c.geisthardt(at)ds.uzh.ch;
staunen-projekt.com
Programm
Mittwoch, 27.01.2016 | |
18.15 | Natascha Adamowsky (Freiburg i. Brsg.), Nicola Gess (Basel): Begrüssung, Einführung |
18.30 | Scott Bukatman (Stanford): The Crossroads of Infinity: Transcending the Knowable in Film and Comics |
Donnerstag, 28.01.2016 | |
Moderation: Mireille Schnyder | |
09.30 | Marc-Aeilko Aris (München): Deus et Machina |
10.30 | Pause |
11.00 | Barbara Schellewald (Basel): Out of the Blue - Die Erscheinung des Göttlichen. Der Einsatz von Lapis Lazuli im Mittelalter |
Moderation: Johannes Bartuschat | |
12.00 | Barbara Kuhn (Eichstätt): Bild-Effekte. Metapher und Zeit in barocker Rhetorik und Poetik |
13.00 | Mittagspause |
15.00 | Irmgard Scharold (Erlangen-Nürnberg): «... vedere in un Vocabolo solo, un pien teatro die maraviglie» - Emanuele Tesauros Einfluss auf die Kunstformen des Barock |
16.00 | Pause |
17.30 | Dietmar Till (Tübingen): Barocker Theaterbau als Technologie theatraler Spezialeffekte |
Moderation: Natascha Adamowsky | |
16.30 | Lutz Koepnick (Vanderbilt/Nashville): Deep Sounds and the Wondrous |
17.30 | Michael Wedel (Babelsberg): Das audio-visuelle Oxymoron: Spezialeffekte, Dolby Surround Sound und Fantasypoetik |
Freitag, 29.01.2016 | |
Moderation: Nicola Gess | |
09.30 | Helmut Krasser (Giessen): Spectacula litteraria. Das Amphitheater in der Literatur |
10.30 | Pause |
11.00 | Bettine Menke (Erfurt): Was das Spektakel möglich macht: Theater-Maschinen |
12.00 | Annette Kappeler (Basel): Höre und staune! Akustische Spezialeffekte in der französischen Oper des 18. Jahrhunderts |
13.00 | Mittagspause |
Moderation: Hugues Marchal | |
15.00 | Steffen Schneider (Trier): Vergnügen und Reflexion: Das Wunderbare in Carlo Gozzis Theater und seine Rezeption auf der modernen Bühne |
16.00 | Pause |
16.30 | Joseph Imorde (Siegen): Schweben. Inszenierungen der Schwerelosigkeit |
17.30 | Abschlussdiskussion |
Konzept: Nicola Gess, Natascha Adamowsky, Mireille Schnyder, Hugues Marchal, Johannes Bartuschat
Referierende: Annette Kappeler, Barbara Schellewald, Scott Bukatman (Stanford), Marc-Aeilko Aris (München), Hent de Vries (Johns Hopkins/Baltimore), Barbara Kuhn (Eichstätt), Irmgard Scharold (Erlangen-Nürnberg), Dietmar Till (Tübingen), Helmut Krasser (Giessen), Bettine Menke (Erfurt), Steffen Schneider (Trier), Joseph Imorde (Siegen), Laurent Guido (Lille), Lutz Koepnick (Vanderbilt/Nashville), Michael Wedel (Babelsberg)
eikones NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH - 4051 Basel