Tagung

Archäologie der Spezialeffekte

27. – 29. Januar 2016 - 18.15 Uhr
eikones Forum

Staunen wird seit der Antike als zentrales Moment von Erkenntnisprozessen und der Wissenskulturen gesehen, spielt aber auch in Überlegungen zur Kunst-Rezeption und Kunst-Wirkung eine wesentliche Rolle. Ziel des Sinergia-Projektes ist, im Moment des Staunens diese enge Verflechtung und gegenseitige Abhängigkeit von Wissenschaft und Dichtung, von experimenteller Forschung und Imagination, von Technik und Kunst herauszustellen. Das Projekt schlägt einen historischen Bogen vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert und berücksichtigt drei sprachlich-kulturell unterschiedliche, jedoch eng vernetzte Literaturen und Kunsttraditionen. Das ermöglicht einerseits, sich wandelnde Vorstellungen von dem, was Staunen ist, genau zu beobachten. Anderseits lässt sich verfolgen, wie Staunen – immer in der Spannung zwischen Erkenntnis und Erfindung gesehen – je nach kulturellen und historischen Kontexten in verschiedenen Deutungs- und Wertungssystemen eine Rolle spielt. Damit wird dieses Phänomen als ein neuralgischer Punkt menschlicher Kultur erkennbar, an dem sich Veränderungen und Verschiebungen von Wertungen in unterschiedlichen Konzepten der Weltdeutung ablesen lassen: wissenschaftlich, poetisch, theologisch.

Wir leben in einer Kultur, die von einer Ästhetik der spektakulären Überbietung geprägt ist. In ihrem Zentrum agieren Spezialeffekte aus Licht und Klang, atemberaubender Technik und wandelbaren Materialitäten, die eine Welt wunderbarer Geschmeidigkeit entwerfen: Winziges wird riesig, Entferntes anschaulich, Unmögliches greifbar. Die Debatten über die Auswirkungen moderner Illusionskünste sind bereits in vollem Gange, und mit ihnen rückt nicht nur die lange Geschichte illusionistischer Effekte ins Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern auch das Verhältnis von Wahrnehmung und Erkenntnis und die Sehnsüchte einer Kultur, die einen Grossteil ihrer Ressourcen an die Hervorbringung von Staunen verschwendet.

Die Tagung «Archäologie der Spezialeffekte» thematisiert diese Entwicklung in einer interdisziplinären kulturhistorischen Perspektive. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt von einer Vor- und Frühgeschichte des Kinos und erweitert den Begriff des 'special effect' für eine allgemeine Betrachtung von Staunenseffekten vomm Mittelalter bis in die Gegenwart. Am Beispiel von Theater- und Musikinszenierungen, bildlichen Darstellungen und rhetorischer Kunstfertigkeit, Zaubertricks und Maschinenkunst geht es um die Rekonstruktion einer Geschichte der Illusions- und Experimentalkünste im Zeichen einer Ästhetik des Ausserordentlichen und der Überschreitung. Der thematische Bogen reicht ovn Formen des Spektakulären, Fragen von Körperlichkeit, Sinnlichkeit und Virtuosität bis zu Phänomenen des Wunderbaren, Magischen und Ludischen.

Poetik und Ästhetik des Staunens. Ein Sinergia-Projekt des SNF. In Kooperation mit dem Modul «Visualität der Barockoper» des NFS Bildkritik - eikones

Kontakt: Constanze Geisthardt: c.geisthardt(at)ds.uzh.ch;
staunen-projekt.com

Programm

Mittwoch, 27.01.2016

18.15Natascha Adamowsky (Freiburg i. Brsg.), Nicola Gess (Basel):
Begrüssung, Einführung
18.30Scott Bukatman (Stanford): The Crossroads of Infinity:
Transcending the Knowable in Film and Comics

Donnerstag, 28.01.2016

Moderation: Mireille Schnyder
09.30Marc-Aeilko Aris (München): Deus et Machina
10.30Pause
11.00Barbara Schellewald (Basel): Out of the Blue -
Die Erscheinung des Göttlichen. Der Einsatz von Lapis
Lazuli im Mittelalter
Moderation: Johannes Bartuschat
12.00Barbara Kuhn (Eichstätt): Bild-Effekte. Metapher
und Zeit in barocker Rhetorik und Poetik
13.00Mittagspause
15.00Irmgard Scharold (Erlangen-Nürnberg): «... vedere in un
Vocabolo solo, un pien teatro die maraviglie» - Emanuele
Tesauros Einfluss auf die Kunstformen des Barock
16.00Pause
17.30Dietmar Till (Tübingen): Barocker Theaterbau als
Technologie theatraler Spezialeffekte
Moderation: Natascha Adamowsky

16.30Lutz Koepnick (Vanderbilt/Nashville): Deep Sounds
and the Wondrous
17.30Michael Wedel (Babelsberg): Das audio-visuelle Oxymoron:
Spezialeffekte, Dolby Surround Sound und Fantasypoetik

Freitag, 29.01.2016

Moderation: Nicola Gess
09.30Helmut Krasser (Giessen): Spectacula litteraria. Das
Amphitheater in der Literatur
10.30Pause
11.00Bettine Menke (Erfurt): Was das Spektakel möglich
macht: Theater-Maschinen
12.00Annette Kappeler (Basel): Höre und staune! Akustische
Spezialeffekte in der französischen Oper des
18. Jahrhunderts
13.00Mittagspause
Moderation: Hugues Marchal
15.00Steffen Schneider (Trier): Vergnügen und Reflexion: Das
Wunderbare in Carlo Gozzis Theater und seine Rezeption
auf der modernen Bühne
16.00Pause
16.30Joseph Imorde (Siegen): Schweben. Inszenierungen
der Schwerelosigkeit
17.30Abschlussdiskussion


Konzept: Nicola Gess, Natascha Adamowsky, Mireille Schnyder, Hugues Marchal, Johannes Bartuschat

Referierende: Annette Kappeler, Barbara Schellewald, Scott Bukatman (Stanford), Marc-Aeilko Aris (München), Hent de Vries (Johns Hopkins/Baltimore), Barbara Kuhn (Eichstätt), Irmgard Scharold (Erlangen-Nürnberg), Dietmar Till (Tübingen), Helmut Krasser (Giessen), Bettine Menke (Erfurt), Steffen Schneider (Trier), Joseph Imorde (Siegen), Laurent Guido (Lille), Lutz Koepnick (Vanderbilt/Nashville), Michael Wedel (Babelsberg)

eikones NFS Bildkritik, Rheinsprung 11, CH - 4051 Basel